Es ist jetzt 31 Tage her, dass ist nachts, mit vier Stunden Verspätung, in Nairobi gelandet bin.
Montag den 02.09. ging es morgens um 07.30Uhr vom Frankfurter Flughafen aus los nach London. Wir waren schon zu 4. und haben in London die restlichen Freiwilligen angetroffen.
In London hieß es erst mal, stundenlang im Flugzeug warten, während irgendein Schaden repariert wurde.
Irgendwann ging es dann doch los und wir überflogen das uns bekannte Europa, um schließlich auf der Flugkarte Ländernamen, wie Ägypten oder Sudan zu erkennen. Wir waren wirklich unterwegs.
Bei der Ankunft konnte ich es kaum glauben. Total fasziniert von dem Gedanken, grade in Kenia gelandet zu sein, ging es durch die Passkontrolle und zu unserem Gepäck, das Gott sei Dank auch tatsächlich kam.
Draußen wurden wir von zwei Mitgliedern unserer Organisation CIVS empfangen und in unser Hostel gebracht.
Zuerst waren wir alle überrascht, wie gut die Straße nahe des Flughafens ausgebaut war. Das änderte sich schnell, bald glich die Fahrt einer Achterbahnfahrt. Auch wenn man hier eigentlich links fahren sollte, fanden wir uns öfters auch mal auf der rechten Straßenseite wieder und waren alle heil froh, als wir dem Gegenverkehr jedes Mal knapp entkamen.
Ich muss zugeben, ich war erstaunt, als wir an unserem Hostel ankamen und uns gesagt wurde, wir würden uns in Buruburu befinden. In der Dunkelheit sah alles ärmlicher aus, als ich es erwartet hatte.
Aber nun hieß es erst mal mit der neuen Situation klar zu kommen. Jeder brachte eine neue in Deutschland hundert mal gehörte Weisheit hervor, die es plötzlich tatsächlich umzusetzen hieß. "Darf man Klopapier ins Klo werfen?", "trinkt ja nicht das Wasser!!", "wie sollen wir uns die Zähne putzen?", "wie soll ich in einem mehrstöckigen Bett mit Moskitonetz schlafen??", und so weiter.
Wir haben es alle überlebt und sind irgendwann mitten in der Nacht müde ins Bett gefallen.
Am nächsten Tag sah das Leben gleich viel schöner aus.
Die Sonne schien und es erwartete uns Chaitea und Toast mit Margarine zum Frühstück. Früchte gab es sogar ausnahmsweise auch. Mit der Zeit sind wir alle zu Avocadojunkies geworden, da Avocado mit Salz nun mal viel besser auf Toast schmeckt als einfach nur Margerine mit Salz.
Wir blieben genau eine Woche in unserem Hostel. Genug Zeit um zu lernen, wie man sich mit Eimern duscht, dass die Klospülung ab und an per Hand nachgefüllt werden sollte und dass Buruburu eigentlich ein sehr schöner Ort ist.
Nur mit dem Wetter waren wir uns anfangs nicht einig. Die einen saßen im dicken Pulli draußen und froren wie sonst was, während die andern (ich zum Beispiel) die meiste Zeit so dünn bekleidet wie möglich versuchten, der Hitze zu entkommen.
Am ersten Tag ging es auch gleich rein nach Buru. Was heißt rein, Buru Centre besteht eigentlich nur aus einer großen Straße. Beim Geldwechseln und Handykartenkaufen wurden wir gleich mit der kenianischen Zeit vertaut gemacht. Es dauerte ewig. Und selbst für die Simkarte mussten wir unseren Pass vorzeigen, was mir erstmal sehr befremdlich vorkam.
Aber zu Buru. Wie soll man Buru beschreiben? Man tritt aus seinem bewachten Court heraus und würde man auf seinem Weg durch die Straßen Burus Fotos schießen, sähe man bestimmt viel Müll, freilaufende Hühner, Staub und dunkle Abgase, Verkehrschaos, ein Obststand nach dem andern, kleine Geschäfte, Arbeiter, die schweißen, hämmern und bauen, Frauen, die Lasten auf Rücken oder Kopf schleppen, Flammen, von brennenden Müllhaufen, erdige, unebene Wege. ..
Das klingt nicht schön? Dann lasst uns das Foto zerreißen und einfach durch die Straßen laufen.
Und plötzlich verschwinden Müll und Chaos aus dem Mittelpunkt und alles sieht einfach nur noch schön aus. Mir ist wirklich kein anderes Wort eingefallen, als „schön“, während ich durch Buru lief. Auch wenn es schwer zu beschreiben ist und wohl auch nicht von jedem so empfunden wird.
Da sind diese Unmengen an Kindern, die oft auch mal den Mzungus zuwinken oder zurufen (Mzungu=Weißer), und diese zum großen Teil unglaublich gut und bunt gemischt gekleideten Menschen (die Traditionellen, die Buisnessleute, die Einfachen, die Coolen, die Schicken. Man merkt, hier gibt es keinen H&M, der Individualität der Kleidung ersetzt), die vielen Stände mit unglaublich leckeren Früchten, die kleinen Shops, in denen immer Menschen zusammen stehen und reden, Männer, die einfach auf der Straße Betten bauen, die ich mir sofort kaufen würde, wenn ich wüsste, dass sie in meinen Koffer passen. Ständig höre ich von irgendwo Musik, sei es selbst gesungen, aus Autos oder von kleinen Musikständen. Und das wichtigste, das Leben pulsiert. Es pulsiert wirklich, überall.
Natürlich wird man auch oft angesprochen. „Hi!“, „How are you?“, „He, mzungu!“.
So habe ich es zumindest bisher erlebt und wahrgenommen.
Matatu fahren („Bus“/Sammeltaxi)
Die erste Matatufahrt ging in die Stadt, um in kleinen Gruppen bestimmte Fotos zu schießen (zum Beispiel eine Pyramide aus 10 Personen, sehr amüsant!). Wir haben ein Musikmatatu erwischt. Auch noch eines mit wirklich guter Musik. Es war der pure Wahnsinn. Ganz hinten, wo wir saßen, hüpft man bei Schlaglöchern auch noch schön hoch. Wir haben uns nicht mehr eingekriegt vor Lachen.
Das System zu verstehen hat etwas länger gedauert. Anscheinend schwanken die Preise je nach Wetter und Tageszeit. Regen und Rush Hour führen zu einer Erhöhung. Es gibt keine Durchsagen, keine Haltestellen oder sonst etwas. Das Matatu hält einfach an einigen Stellen. Wenn man irgendwo auf der Straße rausgelassen werden will, geht das auch. Um rauszufinden, welches der vielen Matatus das Richtige ist, fragt man am besten den Conductor. Der hängt die meiste Zeit zur offenen Tür heraus. Wenn man nicht weiß, wie das Ziel aussieht, sollte man auch sicherstellen, dass jemand einem rechtzeitig Bescheid gibt. Es ist wirklich ein Spaß. Teilweise auch ein sehr enger und sehr holpriger Spaß. Bei schlechter Musik oder einem grummeligen Magen kann es auch schon mal nervig sein.
Pikipiki fahren
Eine andere Art des öffentlichen Verkehrs stellt das Pikipiki dar. Ein Motorrad in mehr oder weniger gutem Zustand. Auch da läuft oft Musik. Es kommt auch ständig vor, dass der Fahrer telefoniert. Meistens hat man Telefonnummern von Pikipiki und/oder Taxifahrern, von denen man weiß, dass sie sicher und fair im Preis sind. Ob sie so pünktlich kommen, wie sie sagen, ist eine andere Frage...
Essen
Ich hätte es echt nicht erwartet, aber
das Essen hier ist der Hammer. Gut für mich, schlecht für meinen
expandierenden Bauch. Aber wie meine Mutter sagt „neue Hosen kann
man überall kaufen, genieß das Essen“. Wo sie recht hat, hat sie
recht. Unser Koch im Hostel war der hammer. Aber mittlerweile hab ich
meine Stände gefunden, zu denen ich immer gehe, um mir meine Samosas
(gefüllte Teigtaschen), Chapati (Art Teigfladen) und mein Obst zu
holen (Mango, Avocado, Bananen, ab und an auch mal einen teuren
Apfel, Ananassticks, Melonenstücke, …). It's all about
relationships, sobald mir ein Stand gefällt, kaufe ich diese eine
Sache praktisch nur noch dort ein. Auch wenn ich dafür etwas weiter
laufen muss. Die Verbindung zu den Verkäufern ist durch die
Ministände viel persönlicher und enger. Ich hätte ein schlechtes
Gewissen, meinen Chapatimann (der echt die besten Chapati dieser Welt
macht!) nicht mehr aufzusuchen.
Ansonsten haben wir in Buru einen
großen Supermarkt, wo ich mein Wasser und meine überlebenswichtige
Schokolade und auch sonst einfach alles her kriege. Mir wurde ja
gesagt, dass ich hier alles kaufen kann. Aber einen mehrstöckigen,
bestens ausgestatteten, normalen Supermarkt hatte ich trotzdem
irgendwie nicht erwartet.
Mangosaft, Trinkjoghurt, Waschseife,
gedruckte Fotos, Kekse, Wasserkocher, was hab ich in diesem Laden
nicht alles schon gekauft? Sparen wird wohl doch nichts.
Meine Gastfamilie
Am 10.September bin ich zusammen mit
meiner Mitfreiwilligen Merlyn zu meiner neuen Gastmutter und
Gastschwester (21) gezogen. Wir haben zum Glück beide ein eigenes
Zimmer und leben auch ansonsten im absoluten Luxus. Andere
Freiwillige, die zu Besuch kommen, sind jedes Mal aufs Neue am
Staunen. Wir haben einen kleinen Vorhof, wo wir Wasser holen und
Wäsche waschen. Betritt man das Haus steht man zunächst im sehr
sauberen Wohnzimmer, mit mehreren Sofas/Sesseln und einem großen
Flachbildfernseher. Direkt hinter dem Fernseher befindet sich mein
Zimmer.
Unten ist auch noch das Esszimmer und
die Küche. Mit Gasherd, großem Kühlschrank und Mikrowelle. Wenn
man nach oben geht, kommt man ins Badezimmer, zum Klo und den Zimmern
von Merlyn, „Mutter“ und „Schwester“. Das Wasser muss also
immer nach oben geschleppt werden.
Das klingt erst mal alles ganz gut.
Allerdings hat jeder Luxus auch seinen Haken.
Den Fernseher würde ich oft am
liebsten mit einem Hammer bearbeiten. Meine Gastschwester hat zurzeit
nichts zu tun, also sitzt sie 7 Tage die Woche von früh bis spät
auf dem Sofa vor dem Fernseher und schaut sich auf höchster
Lautstärke Filme an. Manchmal läuft nebenher noch Musik zu der sie
leidenschaftlich schlecht singt. Irgendwann nachts geht der Fernseher
meistens aus, wenn sie nicht auf dem Sofa eingeschlafen ist. Dann
geht es nach oben, wo sie nochmal einen Fernseher hat, der auch
gleich angeht. Arme Merlyn.
Meine Gastmutter ist vor allem laut am
Telefonieren, wenn sie nicht mit fern schaut. Und auch das
stundenlang. Das ganze fängt früh morgens an. Auch am Wochenende.
Ausschlafen gibt es hier also nicht.
Ansonsten ist zumindest unsere
Gastschwester absolut harmlos. Sie ist einfach da.
Meine Gastmutter ist da etwas anders
gestrickt. Wir nennen sie auch liebevoll „die Furie“. Zum Glück
ist sie montags bis samstags bis etwa um 20 Uhr arbeiten. Wir
versuchen also möglichst alles (Kochen, Waschen, Duschen, …) bis
um 8 zu erledigen. Sobald sie nach Hause kommt, sind ihre Augen
überall, während Skrupel nirgendwo zu finden sind. Sei es, dass sie
uns vorschreibt, wie viel Wasser wir zum Duschen benutzen dürfen,
oder einfach unsere Wäsche abhängt und draußen hinwirft, weil sie
jetzt waschen will, oder für alle Gäste kocht, nur nicht für uns,
oder uns dreckige, voll gestellte Zimmer gibt, uns aber einschärft
auch alles gut sauber zu halten. Am besten, wir benehmen uns, als
seien wir gar nicht da. Wir vermuten, dass sie nicht mal unsere Namen
kennt.
Naja, man kann nicht alles haben. Die
einen haben herzliche Gastfamilien und dafür kleine Zimmer zu dritt,
wir haben eigene Zimmer und dafür eher weniger Herzlichkeit. Aber
auch das kann sich ja mit der Zeit noch ändern.
Wassermangel
Auch den Wassermangel haben wir schon
zu spüren bekommen. Montags gibt es unten in der Spüle und im Hof
meistens Wasser, irgendwann gegen Ende der Woche (Donnerstag oder
Freitag) gibt es auch wieder Wasser im Klo und der Dusche (kleiner
Strahl). Das ist die schönste Zeit, keine Klospülung mehr durchs
Haus schleppen, wenn man mal muss und stressfrei, wenn auch kalt,
duschen.
Freitag Mittag hört das Wasser unten
dafür bis Montag auf. Also Wasser sparen. Wir haben ein paar
Bottiche, die genutzt werden können. Das Geile daran: sonnen
gewärmte Eimerdusche. Das Blöde: kein Waschen und sparen sparen
sparen, sonst gibt es ärger.
Das heißt, wir müssen nach der Arbeit
unter der Woche Waschen. Ich komm immer gegen halb 6 oder später
nach Hause. Die Sonne geht zwischen 6 und 7 unter. Überhaupt habe
ich langsam das Gefühl einer Waschverschwörung zum Opfer gefallen
zu sein. Egal wann ich waschen will, entweder es gibt plötzlich
draußen doch kein Wasser (warum auch immer) oder es fängt in
Strömen an zu regnen. Einmal hab ich trotz Regen gezwungenermaßen
doch gewaschen und war nicht nur bis auf die Haut durchnässt,
sondern hab mir auch gleich noch eine leichte Erkältung eingefangen.
Super.
Für Dusche mit Haaren sowie für eine
Klospülung braucht man jeweils etwa einen vollen Eimer mit Wasser.
Wie viel Liter sind das? Vielleicht um die sieben oder acht? Krass,
wie viel für eine doofe Klospülung drauf geht. Man sollte mal in
Deutschland Eimer unter die Dusche halten. Wie viele wohl für einen
Duschgang gefüllt werden würden?
Das Projekt
Am 11.09. ging es gleich mit Jana,
meiner Projektpartnerin, ins Watoto Wema. Zuerst haben wir aber noch
Merlyn und Nawal (Merlyns Projektpartnerin) in Njiru bei ihrem
Projekt abgesetzt. Wir haben uns sofort verliebt. Klasse Atmosphäre,
motivierte, nette Lehrer, nette Räumlichkeiten, tolle Kinder...
Von Njiru ging es noch eine kleine
Strecke weiter mit dem Matatu nach Ruai und von da aus mit dem
Pikipiki zur Einsatzstelle. Dort angekommen waren wir vor allem
enttäuscht. Keine Herzlichkeit, keine richtige Begrüßung. Die
Direktorin kam uns vor allem unsympathisch vor. Sie hat uns auch
gleich darauf hingewiesen, dass jeder Freiwillige ein Projekt machen
muss. Zum Beispiel neue Duschen, ein medical centre, … das heißt
Spenden. Aber dafür sind wir eigentlich nicht hier.
Außer uns sind im Moment noch 9 andere
Freiwillige im Projekt, die zwischen 1 und 6 Monate bleiben. Alle aus
Deutschland oder Holland. Einige sind schon mit Projekten gekommen.
Wir fühlen uns ein bisschen wie ein Freiwilligenprodukt, dass nur
Geld einbringen soll.
Das Centre besteht aus Küche, Boys und
Girls Dorm, Klohaus, kleiner Unterstand mit Tisch, zwei kleinen
Klassenräumen für Babyclass/ Pre-school/ 1st class, 2nd
class/ 3rd class, kleinem ausgetrockneten Garten, Hühnern,
Kaninchen.
Wir haben auch einen Hund und Katzen.
Alle sehr zutraulich.
Zum Essen gibt es immer Reis mit Bohnen
oder Erbsen.
Ich war bisher nur bei Teacher Lydia
und Claudia (Freiwillige) bei den kleineren Kindern. Babyclass von
halb 9 bis Lunchtime (halb 1), von 2 bis halb 4 schlafen die Kleinen
und wir helfen, die Arbeiten der größeren zu verbessern.
In der Babyclass sind sechs Kinder.
Alle auf unterschiedlichem Level. Wir verbringen den Tag damit a, b,
c und 1, 2, 3 auf Papier zu zeichnen, um es den Kleinen immer und
immer wieder zu erklären. Besonders John, einer der ältesten der
Babyclass ist eine harte Nuss. Er ist bestimmt schon sechs, wenn wir
auf 1 zeigen, sagt er uns aber immer noch sound a.
Zwischendurch ist ein großer Ansturm,
manchmal ist auch einfach rein gar nichts zu tun. Dann gehen wir
entweder Bohnen/Erbsen sortieren, reden mit Teacher Lydia oder
langweilen uns.
Teacher Lydia ist ein wirklich
interessierter und offener Mensch, den wir mit unseren Erzählungen
über uns und unser Leben in Deutschland immer wieder zum Staunen
bringen.
Es hat sich schon ein richtiger Alltag
eingependelt und wir fühlen uns alle bisher wohl. Das Einzige, was
mich stört, sind auf der einen Seite die Abgase und auf der anderen,
dass ich immer und überall, selbst auf der Arbeit von Mzungus
umzingelt bin. Ich muss es irgendwie schaffen, mich besser zu
integrieren. Zum Glück hab ich dafür ja noch etwas Zeit, 10 Monate
um genau zu sein.
Mal sehen, was sich da noch so alles
ergibt. :)